Fakten Check mit Senator für Stadtentwicklung Christian Gaebler (SPD)

von | Aug 31, 2024 | Aktuelles

In der RBB Abendschau vom 22. August 2024 äußerte sich der Senator für Stadtentwicklung, Christian Gaebler (SPD), zum Jahnsportpark. In dem Studio-Interview fielen einige Aussagen, die wir genauer unter die Lupe genommen haben.

Was davon entspricht der Wahrheit, und wo liegt der Senator daneben? Das klären wir jetzt – herzlich willkommen zu unserem Fakten-Check.


„Das alte Stadion ist 1950/51 auf Trümmerschutt gebaut worden, was schon mal nicht besonders nachhaltig ist.“

Falsch.

Die Entstehung von Trümmerschutt setzt Zerstörung voraus. Das ist natürlich nicht nachhaltig. Die Verwendung von Trümmerschutt vor Ort und für lange Dauer ist hingegen nachhaltig. Nicht nachhaltig sind die vom Senat geplante Erzeugung neuen Trümmerschutts und der Rückbau und die Deponierung von erheblichen Teilen des Trümmerschuttwalls in einiger Entfernung von Berlin (ca. 100 km).


„Das Tribünengebäude ist von 1987, das hat also ganze drei Jahre DDR erlebt. Also das jetzt als Ikone der DDR-Vergangenheit zu bezeichnen, muss man auch wollen.“

Mehrfach falsch.

Entscheidend sind die gesellschaftlichen Umstände, unter denen der Entwurf entstanden ist, und der Ausdruckswille der Architekten/Ingenieure und der Bauherrschaft. Das Tribünengebäude wäre auch dann eine Ikone der Ostmoderne (nicht: „DDR-Vergangenheit“), wenn es erst nach der Wiedervereinigung fertiggestellt worden wäre.

Nach der ungewöhnlichen Lesart des Bausenators gäbe es dann wohl gar keine Bauten des Nationalsozialismus und der Flughafen Tempelhof wäre dann wohl eine Ikone der Architektur der amerikanischen Besatzungsmacht?

Schließlich widerspricht sich der Senator auch noch selbst. Im Abgeordnetenhaus hat der das Stadion erst kürzlich als „Stasi-Stadion“ bezeichnet, jetzt spricht er ihm eine hinreichend lange Zugehörigkeit zur DDR ab.


„Wir wollen dort einen Sportpark für alle realisieren, d.h. er soll barrierefrei sein, dass alle Menschen ob mit oder ohne Behinderungen dort auch Sport treiben können und deswegen haben wir die Sportverbände auch hinter uns und allen Respekt vor Leuten, die Unterschriften sammeln, der Landessportbund mit 700.000 Mitgliedern steht zu diesem Projekt, ebenso die Fachsportverbände, und das ist auch mit denen abgestimmt.”

Falsch.

Barrierefreiheit ist normativ geregelt und für öffentliche Bauten verpflichtend. Vorliegend geht es um Inklusion, nicht um Barrierefreiheit.

Zum wiederholten Male werden alle Mitglieder des Landessportbundes als Befürworter dieses Projekts vereinnahmt. Fast alle Vereinssportler in Berlin sind über die Pflichtmitgliedschaft ihres Vereins im LSB. Die weitaus meisten Sporttreibenden in Berlin haben keine Berührungspunkte mit dieser Sportanlage und das wird auch zukünftig so sein. Sie dürften dem Projekt daher indifferent gegenüberstehen.


“Wir haben lange Bürgerbeteiligung gehabt, wir haben alles abgewogen, mit Abriss und Neubau, mit Umbau und ähnlichem, und diese Variante jetzt hat sich als die beste herausgestellt und hat auch im Wettbewerb, wo auch Vertreter der Anwohner beteiligt waren, einstimmig den ersten Preis bekommen.“

Halbrichtig.

Im Planungswettbewerb wurde zwar die Integration von Bestandsbauten zugelassen, ein Ersatzneubau aber klar präferiert. Zur Haupttribüne gab es dementsprechend keine brauchbaren Bestandsunterlagen, über die Senatsverwaltung nicht verfügte. Entdeckt wurden diese von der BI im Bundesarchiv, leider erst nach dem Wettbewerb.


“Also erst einmal muss man ja festhalten, dass auch im großen Stadion kein Profifußball stattfindet, dort findet Amateurfußball statt, dort findet Leichtathletik statt, dort findet Schulsport statt.”

Mehrfach falsch.

Richtig ist: Am 18.8. hat dort der FC Augsburg gespielt, ein langjähriger Erstligaverein.
Richtig ist außerdem, dass es nicht um die Frage geht, was dort stattfindet, seit der Senat das Stadion zum Abriss vorgesehen hat, sondern was in Zukunft dort passieren soll.

Für den in den letzten Jahren nur sehr selten dort zugelassenen Schulsport, aber auch für Amateurfußball werden keine 20.000 Sitzplätze benötigt und auch nicht die Erfüllung von Anforderungen der Deutschen Fußball Liga an Zweitligastadien.


“Ein Drittligaverein ist aber auch noch kein Profisport in dem Sinne, also die erste Stufe dahin, aber wir haben im Moment noch gar keinen Drittligaverein.”

Richtig.

Umso mehr stellt sich die Frage, warum Berlin sich den Luxus eines dritten Zweitligatauglichen Stadions leisten soll.


“Es haben dort Schülerländerspiele schon stattgefunden, also von daher, dass das irgendwie abgehoben ist und niemand etwas davon hat, auch von den Jungen und Kindern, stimmt so nicht.”

Falsch.

Ob Schülerländerspiele wirklich Breitensport sind, sei einmal dahingestellt. Aber auch hier geht es um die Frage, was dort zukünftig stattfinden soll, nicht was in der Vergangenheit war.


“Wir wollen dieses Stadion zu einem Leuchtturm auch der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen machen, wenn wir es barrierefrei gestalten, „inklusiv“ wie man so schön sagt.”

Beschämend.

Erneut setzt der Bausenator Barrierefreiheit mit Inklusion gleich. Was sagt das über die Ernsthaftigkeit der Inklusion bei diesem Vorhaben aus?

Zum Thema der Leuchttürme empfehlen wir dem Bausenator ein Interview des Finanzsenators vom 17.8. in der Morgenpost zur Lektüre: „Um es klar zu sagen: Es ist jetzt nicht die Zeit für Leuchttürme.“


“Ein so großer Umbau hat Auswirkungen auf das Umfeld.”

Richtig.

Beeinträchtigungen für die Anwohnerschaft wurden bislang gerne bestritten.


“Wir brauchen also auch Vorbereitungsflächen, Bauausrüstung, Baustelleneinrichtung und das müssen wir auf den übrigen Flächen haben, weil wir mitten in der Stadt sind und keine anderen Flächen haben. Deswegen wäre es sinnlos, jetzt andere Flächen zu sanieren, die wir anschließend wieder mit Baustelleneinrichtung vollstellen.”

Alarmierend.

Bislang wurde behauptet, dass die Baustelleneinrichtungsflächen im Stadion-Innenraum und allenfalls auf der Schotterfläche Platz finden werden. Von welchen anderen Flächen redet der Senator?


“Wir haben jetzt zehn Jahre Vorlauf mindestens. Es wird auch nicht billiger, wenn wir es jetzt nicht bauen.”

In diesen Vorlauf fällt ein Paradigmenwechsel im Bauwesen (2019/20, siehe z.B. das BDA-Manifest „Das Haus der Erde“).

Ressourcenschonung und Klimaschutz zwingen zu einer anderen Art des Bauens, v.a. zu viel mehr Bestandserhalt. Nicht nur der Jahnsportpark, sondern fast alle Projekte mit einer Vorlaufzeit von mehr als fünf Jahren wirken seither unzeitgemäß und bedürfen der Nachjustierung.

Billiger wird das Projekt nicht durch Aufschub, aber durch Berücksichtigung der Suffizienz: Was brauchen wir wirklich? Ein Stadt- und Klimaverträglich redimensioniertes Projekt mit Weiterbau statt Abriss wird auch der Haushaltslage des Landes besser gerecht.


“Der Abriss ist beauftragt.”

Falsch.

Die Leistung ist erst ausgeschrieben. Noch bis zum 3.9. läuft die Angebotsfrist.


“Die Schadstoffsanierung hat stattgefunden.”

Richtig.

Damit ist die Voraussetzung eines Um- und Weiterbaus gegeben.

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