Offener Brief der Studierenden der UdK & TU Berlin

von | Mrz 28, 2023 | Aktuelles, Offene Briefe

Offener Brief

Nein! zum Stadionabriss im Prenzlauer Berg

An die Regierende Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey,
An den Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Andreas Geisel,
An die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeld,
An alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger,

Im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, angrenzend an den Mauerpark, wird das 73 Jahre alte Cantianstadion mit seinem 36 Jahre alten Tribünengebäude und einer Kapazität von 20.000 Sitzplätzen in einem aufwendigen Verfahren zu Bauschrott degradiert. Das in der DDR erbaute Stadion soll ab 2024 abgerissen werden, damit am selben Ort ein neues Stadion mit derselben Anzahl an Sitzplätzen errichtet werden kann. Für das Vorhaben liegt ein Bebauungsplan im Entwurf vor, der als Rechtsgrundlage für diesen Neubau dienen soll. 1

Das Cantianstadion ist seit Jahren nur eingeschränkt nutzbar. Aufgrund von nicht normgerechten Fluchtwegen wurde die Sitzplatzkapazität halbiert und ist das Tribünengebäude nicht begehbar. Ohne Zweifel: Das Cantianstadion muss repariert werden. Analysen und Entwürfe haben nachgewiesen, dass alle notwendigen Anforderungen für den Stadionbetrieb mit einem Erhalt des bestehenden Stadions vereinbar sind. Durch gezielte Umplanung und Ergänzung kann das Cantianstadion den heutigen Anforderungen gerecht werden, zu einem Bruchteil der Kosten und der CO2-Emissionen, die ein Abriss und Neubau verursachen würden.2

Grundlage für den Bebauungsplan war aber ein offener, zwei-phasiger Wettbewerb (2022) mit dem erklärten Ziel: „(…) das bestehende Stadion zurückzubauen und durch einen Neubau am gleichen Standort zu ersetzen.“ 3

Die Wettbewerbsausschreibung ignorierte das Potenzial des Bestands und die Erkenntnisse des langen Beteiligungs- und Evaluierungsverfahrens. Darin liegt der grundlegende Fehler des gesamten Verfahrens. Es überrascht nicht, dass der Siegerentwurf, für den momentan Rechtsgrundlage geschaffen wird, die Forderung nach Abriss und Neubau erfüllt. Hauptargument der Verantwortlichen ist, dass ein Inklusionsstadion entstehen soll. Unumstritten: Berlin braucht Orte für inklusiven, barrierefreien Profi- und Freizeitsport. Es ist leider leicht, dem Glauben zu verfallen, dass dies nur durch einen Neubau möglich sei. Vorstudie und Wettbewerbsergebnisse haben deutlich bewiesen, dass durch gezielte architektonische Eingriffe und Erweiterungen das Cantianstadion zu einem Inklusionsstadion transformiert werden kann.

Die eigens gegründete Bürgerinitiative Jahnsportpark und der Landesverein Berlin der Bund Deutscher Architekten positionieren sich klar:

„Berlin besitzt mit dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark und dem angrenzenden Mauerpark eine Deutschland-, wenn nicht weltweit einmalige Sport- und Freizeitlandschaft, die Spitzen- und Breitensport vereint und mit der grünen Infrastruktur Berlins verbindet. Der wertvolle Baumbestand und die historisch einmalige Anlage von Stadion, denkmalgeschützter Hinterland-Mauer und Tribüne (…) im Mauerpark, dies alles muss behutsam saniert und nicht brachial umgestaltet werden!“4

Was passiert, wenn wir jetzt nicht handeln?

Der neue Bebauungsplan liegt seit dem 04. März 2023 zur Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Er sieht den Abriss des Cantianstadions und einen kostspieligen und unzeitgemäßen Neubau vor und würde eine Versiegelung von 90% der Fläche des Sportparks ermöglichen. Die vorhergesehenen Kosten für den Neubau belaufen sich in der Ausschreibung auf knapp 100 Mio Euro. In Betracht des Siegerentwurfes und der aktuellen Preissteigerung im Bausektor sind deutlich höhere Baukosten erwartbar, die der Steuerzahler tragen wird.

Aus der Perspektive der Nachhaltigkeit hätte man kaum desolater entscheiden können. Mit dem prämierten Entwurf werden unnötigerweise über 10.000 Tonnen Bauschutt entstehen – mindestens dieselbe Menge wird als Baumasse für den Neubau aufgewendet werden müssen. Viele alte, intakte Bäume müssen dem Neubau weichen, die Klimaresilienz der Hitzeinsel Prenzlauer Berg würde weiter geschwächt werden. Abriss und Neubau würden den Sport- und Erholungsbetrieb im Sportpark massiv einschränken. Ein klug geplanter Umbau hingegen könnte einen dauerhaften Parallelbetrieb gewährleisten und würde eine deutlich geringere Belastung für die Nachbarschaft bedeuten. Hinzu kommt, dass mit dem Abriss eine der letzten Großbauten der frühen Ostmoderne in Berlin weichen würde.

Wir fordern eine Neuauflage des Wettbewerbs – mit angepassten Anforderungen und dem Ziel, dass statt unterschiedlichen Abrissentwürfen eine Vielzahl an Umbaustrategien erarbeitet werden. Die Ergebnisse des Umbauverfahrens sollten an objektiven Maßstäben wie CO2-Emissionen, Neuversiegelung, Baumfällungen und sensibler Gestaltung des Bauverlaufs gemessen werden.

Die Ziele des neuen Bebauungsplans sind klar: es sollen „(…) identitätsstiftende Elemente der Anlage soweit wie möglich erhalten bleiben“. Das Stadion soll „ (…) zukünftig den Inklusionssport und ein uneingeschränktes inklusives Zuschauererlebnis ermöglichen. (…) Schließlich sollen in Folge der Planung die ökologischen und klimatischen Bedingungen verbessert werden, indem beispielsweise möglichst viel Fläche entsiegelt wird und unversiegelt bleiben kann. Für den zukünftigen Inklusionssportpark und das große Stadion wird eine weitgehende Klimaneutralität angestrebt.“5

All diese Intentionen sind richtig und zukunftsweisend, doch stimmen leider nicht mit der jetzigen Planung überein.

Eine Chance für Berlin: Im Zuge des neuen Umbauverfahrens ist es möglich, ein tatsächlich inklusives Projekt zu realisieren, welches eine Vorbildfunktion für künftige stadtplanerische Entwicklungen haben kann.

Bis zum 31.3.2023 können alle Berliner*innen den Bebauungsplan online kommentieren. Äußert online Euren Unmut über das offensichtliche Verfehlen der selbst gestellten Ziele im Bebauungsplan hier: https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/b-planverfahren/de/fruehbb/3-87

AG Neustart Jahnsportpark
Studierende UdK & TU Berlin (Architektur)
Kontakt: neustart.jsp@gmail.com
Prof. Jean-Philippe Vassal

Unterstützende
Bürgerverein Gleimviertel e.V.
Bürgerinitiative Jahnsportpark
Freunde des Mauerparks e.V.
Klasse Klima der UdK

1 https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/b-planverfahren/de/fruehbb/3-87/index.shtml
2 https://www.jahnsportpark.de/dokumentation Team Erhalt& Umbau
3 https://www.berlin.de/sen/bauen/wettbewerbe/2022/jahnsportpark-fuer-alle/#Ausschreibung /Download Auslobung
4 https://www.bda-bund.de/2020/06/abrissplanungen-im-friedrich-ludwig-jahn-sportpark-sofort-stoppen/
5 https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/b-planverfahren/de/fruehbb/3-87/index.shtml

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