Sehr geehrter Herr Senator Geisel,
bis Ende März soll das 100-Tage-Programm der Berliner Koalition umgesetzt werden. Darin heißt es: „Um den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark zu einem Inklusionssportpark zu entwickeln, wird ein Realisierungswettbewerb ausgelobt.“ Auch im Koalitionsvertrag wird versprochen, den Jahn-Sportpark „zum Inklusionssportpark zu entwickeln“.
Tatsächlich betrifft der von Ihnen angekündigte Realisierungswettbewerb, der am 21.03.22 vorgestellt werden soll, den insbesondere für die Ziele der Inklusion relevanten Sportpark in keinster Weise. Der Realisierungswettbewerb wird lediglich für das Stadion ausgelobt und die behauptete Entwicklung des Sportparks wurde auf die nächste Legislaturperiode (nach 2026) verschoben.
Ihre Ankündigung, den Sportpark zu einem Inklusionssportpark zu entwickeln, ist also nicht nur irreführend, sondern völlig unverbindlich. Mit dem geplanten Vorhaben werden die im Koalitionsvertrag und im 100-Tage-Programm gemachten Versprechen tatsächlich NICHT erfüllt.
Sie setzen sich damit auch über die Ergebnisse eines Werkstattverfahrens hinweg, an dem Fachleute sowie Bürger*innen beteiligt waren. Dessen Ergebnisse sahen eine gemeinsame Entwicklung des Stadions und des Sportparks sowie die Prüfung beider Optionen (Umbau vs. Abriss) vor. Nicht nur soll nun ausschließlich das Stadion – ohne den Sportpark – entwickelt werden, es wurde auch intransparent und hinter verschlossenen Türen beschlossen, Abriss / Neubau zu verfolgen und die Prüfung eines möglichen Umbaus des Stadions zu verwerfen.
Das bedeutet eine klare Gewichtung zugunsten des Profisports – gegen die Inklusion sowie gegen den Breiten-, Vereins-, Schul-, Kinder- und Jugendsport. Die Handlungsempfehlungen des Werkstattverfahrens werden ignoriert und die Bürgerbeteiligung mit Füßen getreten. Schließlich steht das geplante Vorhaben in eklatantem Widerspruch zur vom Senat anerkannten Klimanotlage, zum Abfallwirtschaftskonzept des Senats, zum Zero-Waste-Leitbild und zur Berliner Strategie zur Biologischen Vielfalt – es geht um Abriss um jeden Preis, obwohl der Klimaschutz als „eine zentrale Querschnittsaufgabe“ definiert wurde.
Im Koalitionsvertrag wurde ebenfalls vereinbart, Umbau gegenüber Abriss und Neubau zu priorisieren. Zahlreiche Expert*innen, nicht zuletzt der berühmte Architekt Jean-Philippe Vassal, dessen Büro sich dem Prinzip Umbau vor Abriss verschrieben hat, haben bescheinigt, dass dieser möglich ist. Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten und die Berliner Architektenkammer haben sich ebenfalls für einen Umbau und gegen einen Abriss des Stadions ausgesprochen.
„Ein inklusiver, behutsamer Umbau des Stadions und seiner Umgebung ist auf jeden Fall möglich. Man könnte dabei seine Eigenschaften beibehalten, seine Kapazität erhöhen und die Zugänglichkeit gewährleisten. Das wäre eine elegante Art, auf aktuelle Umweltprobleme zu reagieren: Weniger ausgeben, um mehr zu bekommen, Energie und CO2-Verbrauch reduzieren, Natur- und Kulturdenkmäler schützen.“, so Vassal.
Die Berliner Bezirke sollen 78 Mio. Euro einsparen, die Finanzmittel der Schulen wurden drastisch gekürzt, eine humanitäre Katastrophe rollt auf uns zu – und gleichzeitig soll für über 100 Mio. Euro ein Stadion mit 20.000 Sitzplätzen abgerissen und anschließend an derselben Stelle und in gleicher Größe neu gebaut werden?
Das ist weder ökonomisch noch dem sozialen Zusammenhalt zuträglich, für den einzusetzen Sie sich verpflichtet haben. Kinder, Jugendliche, Umwelt- und Sozialbelange bleiben auf der Strecke für ein aus der Zeit gefallenes Prestigeprojekt.
Wir sind mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden, das ist keine Politik im Sinne der Bürger*innen dieser Stadt. Wir fordern Sie hiermit auf, das Verfahren auf solide Beine zu stellen und das Stadion zusammen mit dem Sportpark im Rahmen eines gemeinsamen Realisierungswettbewerbs zu entwickeln – genau so wie es im Koalitionsvertrag steht. Setzen Sie auf eine gute, sorgfältig durchdachte und nachhaltige Lösung anstelle von „Murks am Bau in 100 Tagen“ – Berlin ist es wert.
Für weitere Informationen und ein gemeinsames Gespräch stehen wir sehr gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Bürgerinitiative Jahnsportpark – Jahnsportpark für alle
Offener Brief an Senator für Stadtentwicklung Andreas Geisel (PDF, 125kB)